In Bezug auf die Genetik ist für die meisten Betroffenen hauptsächlich interessant, wie groß die Vererbungswahrscheinlichkeit bei einer HMSN ist, wie man feststellen kann, ob man den Gendefekt vererbt hat und ob es Möglichkeiten gibt, eine Vererbung des Gendefekts zu verhindern.
Diese Fragen sollen nun an dieser Stelle kurz beantwortet werden, ohne tiefer in die Genetik als solches einzudringen.
Vererbungswahrscheinlichkeit
Die Wahrscheinlichkeit der Vererbung liegt für autosomal-rezessive Erbgänge bei 25%, für autosomal-dominante Erbgänge bei 50%.
Die allermeisten HMSN-Typen werden autosomal-dominant vererbt, dies gilt insbesondere für die am häufigsten vorkommenden HMSN-Typen.
Somit liegt die Vererbungswahrscheinlichkeit bei den allermeisten Betroffenen bei 50%.
Man hört öfter, dass die HMSN Generationen überspringen kann. Dies ist falsch, die HMSN vererbt sich nur von einer Generation auf die andere. Findet diese Vererbung nicht statt, ist kein weiteres Auftreten in weiteren Generationen mehr möglich!
Feststellung, ob der Gendefekt vererbt wurde
Um festzustellen, ob der Gendefekt vererbt wurde, gibt es zwei Möglichkeiten:
man wartet ab, bis der Nachkomme Symptome entwickelt und lässt dann eine Diagnose stellen oder man lässt bei einem symptomlosen Nachkommen einen Gentest machen.
In Deutschland wurde die Möglichkeit, Gentests bei Personen unter 18 Jahren durchführen zu lassen aufgrund der Diskussion über Gentechnik stark beschnitten. Man hat sich darauf geeinigt, dass genetische Untersuchungen auf Erbkrankheiten erst dann möglich sind, wenn erste Symptome auftauchen, die auf eine solche Krankheit deuten. Solange ein Mensch symptomlos ist, gilt er in Deutschland als 100% gesund in Bezug auf eine mögliche Erbkrankheit. So versucht man zu verhindern, dass Menschen schon als krank eingestuft werden, obwohl sie nur einen Gendefekt tragen, der (noch) keine Krankheitssymptome verursacht hat. Damit wird aber der Tatsache Rechnung getragen, dass das Vorliegen eines Gendefekts nicht automatisch zur Folge hat, dass man auch wirklich irgendwann erkrankt.
Für HMSN-Betroffene mit Kinderwunsch bzw. mit Kindern mag dies unbefriedigend sein. Man sollte aber berücksichtigen, dass das Wissen um einen vorhandenen Gendefekt bei den eigenen Kindern aus ärztlicher Sicht keine Konsequenzen mit sich bringt. Es gibt keine Möglichkeit, zu verhindern, dass der Gendefekt die Erkrankung auslöst. Man weiß auch nicht, wann der Gendefekt die Erkrankung auslöst und man kann dies auch nicht feststellen. Eine prophylaktische Behandlung ist auch nicht möglich und darüber hinaus auch nicht sinnvoll.
Wichtig dagegen ist, Kinder so unbeschwert wie möglich aufwachsen zu lassen und beim Auftreten von Symptomen ärztlichen Rat einzuholen.
Verhinderung der Vererbung
Zur Verhinderung, dass der Gendefekt weitervererbt wird, kann man die sog. PID (Präimplantationsdiagnostik) nutzen.
Hier bei werden der Frau Eizellen entnommen, die dann im Labor mit dem Sperma des Mannes befruchtet werden. Vorher wird das Erbgut des Defektträgers auf den Gendefekt untersucht und die Befruchtung findet dann mit Erbgut statt, bei dem der Gendefekt ausgeschlossen werden konnte.
In Bezug auf die HMSN ist diese Vorgehensweise in Deutschland schwierig. Man hat sich darauf geeinigt, dass die PID bei lebensbedrohenden Erbkrankheiten unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt werden kann, die HMSN zählt jedoch nicht zu diesen Krankheiten. Dies bedeutet, dass Ärzte sich unter diesen Bedingungen in eine rechtlich schwierige Situation begeben, wenn sie dem Wunsch eines HMSN-Betroffen nachkommen, eine PID durchzuführen. Solange sich hier nichts ändert, könnte es schwierig sein, in Deutschland eine PID machen zu lassen (Ausnahmen können möglich sein, sind aber aktuell nicht bekannt).
Da im Ausland eine andere rechtliche Situation vorliegt und die PID in anderen europäischen Ländern erlaubt ist, können Betroffene natürlich dort Hilfe suchen. Die Kosten dafür müssen aber selber getragen werden und es muss berücksichtigt werden, dass sowohl Kosten für die PID wie auch für die künstliche Befruchtung entstehen.
In Bezug auf eine künstliche Befruchtung sollte noch ein anderer Faktor berücksichtigt werden, insbesondere wenn die genetische Disposition für die HMSN durch die Mutter vererbt wird.
Zur Durchführung einer künstlichen Befruchtung ist es erforderlich, dass der Frau eine ausreichende Anzahl an Eiern entnommen werden kann. Dies erreicht man nur durch die Gabe zusätzlicher Hormone in sehr hoher Dosierung.
Auch wenn es keine ausreichende Studienlage zu Hormonen und deren Auswirkungen auf die HMSN gibt, zeigen die Statistiken, dass Frauen über eine Verschlechterung z.B. durch eine Schwangerschaft berichten. Auch wird bei einigen Antibabypillen geraten, lieber auf andere Präparate oder Verhütungsmethoden zurückzugreifen.
Die Verschlechterung durch hormonelle Veränderungen wird nicht bei jedem Typ beschrieben, beim am häufigsten vorkommenden Typ 1a wird darüber jedoch oft berichtet. Es ist also nicht auszuschließen, dass die Hormongabe im Rahmen einer künstlichen Befruchtung, den Verlauf der HMSN negativ beeinflusst. Hinzu kommt noch ein weiterer Faktor. Stress kann - je nach Veranlagung - auch einen negativen Einfluss auf die HMSN nehmen. Eine künstliche Befruchtung/PID geht sicherlich mit einer nicht zu unterschätzenden Belastung einher, da damit natürlich große Hoffnungen und Erwartungen verbunden sind.